Hefte, Stifte, iPad – unsere Schule auf dem Weg zum digitalen Lernen
Für manche Kinder fühlte sich der Beginn dieses Schuljahrs ein bisschen an wie Weihnachten. Weiße Kartons mit nagelneuen iPads kamen in alle Klassen geschneit, für jedes Kind eins. „Cool! Videos gucken! Games zocken!“ Die Freude war groß. Die Enttäuschung dann allerdings auch. Denn diese iPads, das machten die Lehrerinnen und Lehrer gleich zu Anfang klar, sind ein Arbeitsmittel. So wie Hefte, Stifte und Geodreieck. Unsere Schule zählt damit zu den ersten in Hamburg, die jedem Kind ein eigenes Tablet zur Verfügung stellt. So setzen wir frühzeitig und konsequent das pädagogische Programm um, das das französische Bildungsministerium vorgibt: Die Kinder spielerisch mit der digitalen Welt vertraut zu machen, die sie umgibt.
Okay, und wie funktioniert die Sache mit den Schul-Tablets nun genau? Antworten auf die wichtigsten Fragen haben wir hier zusammengestellt.
Digitales Lernen – warum eigentlich?
Die iPads mit verschiedenen Lern-Apps ersetzen klassische Lehrmethoden nicht. Sie ergänzen sie als ein weiteres, wertvolles Hilfsmittel im Werkzeugkasten unserer Lehrkräfte. Zwei Beispiele:
- „Individuelles Lernen“: Nach einem Diktat teilt die Lehrkraft die Klassen in Kleingruppen. Es geht darum, Fehler zu finden und zu korrigieren. In einer Gruppe versuchen die Kinder dies allein mithilfe eines Korrekturprogramms. Einer weiteren Gruppe steht die Lehrkraft zur Seite. Die Gruppen rotieren. Auf diese Weise haben unsere Lehrerinnen und Lehrer mehr Zeit, die Kinder individuell zu unterstützen.
- „Vom Konkreten zum Abstrakten“: Im Kindergarten experimentieren die Kleinen mit echten Gewichten und echten Waagen. Was wiegt mehr: eine Möhre oder ein Bleistift? Was macht die Waage, wenn ein Ding schwerer ist als ein anderes? Die jüngeren Kinder begreifen im wörtlichen Sinn das Thema Maße und Gewichte. In den höheren Klassen wird es zunehmend abstrakter: Die Schüler sollen sich eine Waage vorstellen, um Gewichte abzuschätzen. Das iPad mit einer digitalen Waage ist da ein guter Zwischenschritt. Man kann die Waage nicht mehr anfassen, aber noch sehen. Dies unterstützt die Kinder auf ihrem Weg vom konkreten zum abstrakten Denken.
Wie werden die iPads im Unterricht genutzt?
Beispielsweise bei Diktaten. Die Lehrkraft nimmt den Text zuvor mit dem iPad auf, die Kinder hören ihn über Kopfhörer. Der Vorteil dieser Methode: Jedes Kind kann das Diktat in seiner eigenen Geschwindigkeit anhören, je nach Verständnis vor- und zurückspulen und schließlich ins Heft schreiben. Der Druck entfällt, der oder die Langsamste zu sein. Außerdem können die Lehrkräfte besser zwischen verschiedenen Leistungsniveaus differenzieren: Schnelle Diktat-Schreiber bekommen einen längeren, schwierigeren Text; gemächlichere Kinder einen leichteren, kürzeren. Im Moment kommen digitale Lehrmethoden in den Fächern Deutsch, Französisch, Geschichte, Kunst, Geografie und Mathe zum Einsatz.
Wie viel Zeit verbringen die Kinder in der Schule am Bildschirm?
Es gibt pro Tag maximal zwei Unterrichtsstunden à 45 Minuten, in denen die iPads genutzt werden, und dies auch nicht an jedem Tag der Woche. Der Unterricht mit den Geräten ist klar abgegrenzt – sie verschwinden danach wieder im Schrank.
Und in der Maternelle?
Die Kinder nutzen das Ipad ein bis drei Mal pro Woche. Jede Einheit dauert circa 20 Minuten. Die Kinder lernen durch gezielte Aktivitäten den Umgang mit dem Gerät. Sie lernen die Apps kennen, die ab Klasse CP regelmäßig im Unterricht benutzen werden.
Welche Hardware wird in der Grundschule genutzt?
Jedes Kind ab Klasse CP hat ein eigenes iPad (Apple), das in einer stoßfesten Hülle steckt. Nach dem Unterricht legen die Kinder ihre Geräte in abschließbare Schränke, dort werden auch die Akkus wieder aufgeladen. Die iPads bleiben in der Schule. Jede Klasse besitzt Kopfhörer. Jeder Klassenraum ist mit einem Apple TV samt Beamer ausgerüstet, um Inhalte gemeinsam anzuschauen. Die Lehrkräfte nutzen jeweils ein Mac und ein iPad Pro.
Welche Hardware wird im Kindergarten eingesetzt?
Die Maternelle besitzt 50 iPads, die die Kinder abwechselnd nutzen. Jedes Kind hat seinen eigenen Account mit Passwort, mit dem es Inhalte auf jedem Gerät wiederfinden und weiter bearbeiten kann. Auch diese iPads bleiben in den Räumen des Kindergartens.
Müssen sich die Eltern an den Kosten beteiligen?
Nein. Alle Kosten für Tablets und weitere technische Ausstattung trägt die Schule. Das Geld stammt aus schuleigenen Mitteln und aus dem „Digitalpakt“ der Bundesregierung.
Wer sind die Ansprechpartner für das Digital-Projekt?
Die Grundschulleiterin Françoise Kuhl arbeitet mit der Lehrerin Sandrine Kotten-Géhénot zusammen, die für die Pädagogik des Digitalen unserer Schule als Digitalreferentin zuständig ist (Xavier Protat wird im kommenden Schuljahr wieder dabei sein). Unser Netzwerk- und Systemadministrator, Arnaud Mercier, kümmert sich um Technik, Software und Updates.
Wie werden die Lehrerinnen und Lehrer geschult?
Die Lehrkräfte der Maternelle und der Grundschule nehmen drei- bis vier Mal pro Schuljahr an Fortbildungen zur digitalen Pädagogik teil. Die Schule arbeitet mit „Art Computer“ zusammen, einem Schweizer Unternehmen, das auf die Einführung und Weiterentwicklung digitaler Lehrmethoden spezialisiert ist. Außerdem stehen alle drei Digitalreferente unserer Schule, den Lehrkräften zur Verfügung, um während des Unterrichts zu beraten und Neues auszuprobieren.
Noch ein Wort zum Schluss: „Das iPad ist ein kleines Ding, das zu einem großen Ziel beiträgt – die Kinder zu befähigen, sich in unserer globalen, digitalen Welt zurecht zu finden“, sagt Digitalreferent Olivier Douet. Die Kinder lernen im Lauf der Schuljahre, sich zu organisieren: Wie sortiere ich meine Dateien? Und wo ist noch mal mein Passwort? Sie lernen, verantwortungsvoll mit Daten und Menschen umzugehen. Wem schreibe ich was? Welche Inhalte will ich teilen, und welche besser nicht? „Wir begleiten sie dabei, `citoyens numériques` zu werden“, so Douet. Digitale Weltbürger.